Werkstattgespräch mit Aslı Erdoğan

Sie schreibt wieder: Unermüdlich, getrieben und obsessiv, die physischen Grenzen auslotend, bis sich endlich die Worte ihrer Texte auf poetisch-brutale Weise an das Erlebte herantasten. Eine ewige Annäherung, ein ständiges Suchen. Aslı Erdoğan.
Welche Höhen und Tiefen sie im Schreibprozess begleiten, wie sie an den Punkt ihrer kreativen Singularität gelangt, wird ebenso Thema unseres Werkstattgesprächs im April sein wie die Veröffentlichung ihres neuen Romans Das Haus aus Stein.

Seit 2017 lebt Aslı Erdoğan in Frankfurt am Main stets im Ungewissen, ob sie jemals in ihr Heimatland zurückkehren kann. Es ist die Ambivalenz aus Hoffnung auf Rückkehr und Angst vor politischer Verfolgung, die das Leben ihres Frankfurter Exils prägen. Den Ausweg aus dieser Diskrepanz sieht sie im Schreiben, der selbstauferlegten Aufgabe, gegen das Vergessen und vor allem gegen das Schweigen vorzugehen, um ein kollektives Bewusstsein dafür zu schaffen, was in der Türkei im Verborgenen passiert. In diesem Kampf steht ihre kraftvolle Sprache im perfekten Widerspruch zu ihrem sensiblen Wesen. Der Schaffungsprozess geht an ihre Substanz. Er ist ein Kraftakt begleitet von Obsession, Selbstausbeutung und dem tiefen Verlangen, so nah als möglich an die Wahrhaftigkeit des Erlebten zu gelangen stets mit dem Bewusstsein, dass das Wort »bloße« Annäherung bleibt.

In ihrem neuen Roman Das Haus aus Stein stellt sich Erdoğan der Kernfrage, wie das Erlebte überhaupt in Worte gefasst werden kann. Bereits 2009 unter dem Titel Tas Bina in der Türkei erschienen, schreibt Erdoğan über Gefangenschaft und den Verlust aller Sicherheiten und nimmt damit auf erschütternde Weise die Erlebnisse ihrer eigenen Inhaftierung im Jahr 2016 vorweg. Die deutsche Übersetzung, die im März erscheint, ergänzt sie nun durch ein Essay über ihre Inhaftierung im Frauengefängnis Bakırköy-Instanbul. Vielleicht werde sie nie wieder in der Lage sein, so gut komponiert darüber zu schreiben, gesteht sie im ARD-Interview der Sendereihe Titel Thesen Temperamente, denn es sei jetzt zu real. [ * ]

Schon vor der Veröffentlichung erhielt Cocon den neuen Roman aus der Hand der Autorin. Erneut zeigte sich hierin für unsere Regisseurin Emel Heinreich, wie stark die Person Aslı Erdoğan mit ihren Texten verflochten ist. Für sie schafft der intensive Schreibprozess die Unzertrennlichkeit zwischen Wort und Schriftstellerin. Neben inhaltlichen Aspekten wird daher das Werkstattgespräch mit Aslı Erdoğan dieses Verhältnis näher beleuchten und sich der Frage widmen, wie die Annäherung zwischen Wort und Erlebten auf die Bühne gebracht werden kann. Eins ist vorab sicher: Es werden intensive Gespräche im April.

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[ * ] Vgl. DAS ERSTE | ttt – Titel Thesen Temperamente (2019): Die türkische Schriftstellerin Aslı Erdoğan, Online im Internet: URL: https://www.daserste.de/information/wissen-kultur/ttt/sendung/sendung-vom-20012019-108.html [Abrufdatum: 26. Jänner 2019]