Die Physikerin Aslı Erdoğan zählt mittlerweile zu den international renommiertesten türkischen Schriftstellerinnen. Besonders seit ihrer viermonatigen Inhaftierung im Jahr 2016, die als Reaktion auf ihre kritischen Beiträge in der kurdisch-türkischen Zeitung Özgür Gündem erfolgte, gilt sie als Symbolfigur für den Kampf um Meinungsfreiheit, gegen politische Willkür und Diskriminierung in der Türkei.
Obwohl sich die 1967 in Istanbul geborene Erdoğan seit ihrer Jugend aktiv dem Schreiben widmet, hatte sie sich erst nach einer internationalen Karriere als Wissenschaftlerin für ihre schriftstellerische Laufbahn entschieden. Nachdem Mitte der 1990er erste Novellen und Kurzgeschichten wie Der Muschelmann oder Holzvögel in mehrere Sprachen übersetzt wurden, gelang ihr 1998 mit ihrem dritten Roman Die Stadt mit der roten Pelerine der internationale Durchbruch. Neben ihrer schriftstellerischen Tätigkeit verfasste sie für mehrere türkische Zeitungen Kolumnen, worin sie sich kritisch über die Bedingungen in türkischen Gefängnissen äußerte und sich besonders für die Menschenrechte der Inhaftierten engagierte.
Im Zuge mehrerer internationaler Aufenthalte war Aslı Erdoğan von 2012 bis 2013 Writer in Exile der Stadt Graz. Österreich war der letzte europäische Aufenthaltsort Erdoğans, bevor sie zurück in ihre Heimat Türkei reiste und dort im August 2016 im Rahmen der Verhaftungswelle nach dem gescheiterten Militärputsch mit unzähligen türkischen Journalist*innen und Schriftsteller*innen inhaftiert wurde. Seit ihrer Freilassung setzt sie sich nicht nur für die freie Meinungsäußerung von Schriftsteller*innen in der Türkei ein, sondern appelliert mit ihren Texten vehement an internationalen Frieden und Völkerverständigung. Hierfür erhielt sie unter anderem den Bruno-Kreisky-Preis für Menschenrechte sowie die Theodor-Heuss-Medaille.
Mit Nicht einmal das Schweigen soll Aslı Erdoğans Werk wieder nach Österreich getragen werden. Gerade in Zeiten von religiösem Radikalismus und unreflektiertem Nationalismus eröffnen ihre Texte die Frage, welche politische Verantwortung Kunst und Literatur übernehmen.